Ergründen wollen


Corporate Story - hinter dem Sichtbaren

Ich bin schon lange hier. Meine Wurzeln reichen tief in den Boden, sie haben sich in alle Richtungen ausgebreitet. Das geschah ganz langsam, aber mit der mir eigenen Unzweideutigkeit und Unabänderlichkeit. Die Erde birgt, was ich zum Leben benötige. Meine Wurzeln sind meine Lebensglieder. Ich lasse sie wachsen, taste mit ihnen im Dunkeln nach Wasser und nach Nährstoffen. Meine Wurzeln sind auch meine Anker. Ich grabe mich mit ihnen tief und fest zwischen das Gestein. Die Erde, in die ich mich kralle, ist erfüllt von den Versprechungen meiner vergangenen Artgenossen. Sie lenken die Bahnen meiner Wurzeln, sie sind es, die mir die Wege zur wahren Standfestigkeit weisen. Ihr Gewisper ist nur für unsereinen hörbar.

Ihr denkt, unsere Wurzeln sind schön in ihrer Gestalt einer unterirdisch geprägten Krone? Wir denken nicht in solchen Begriffen. Schönheit ist für unsere Art die Verbundenheit mit den Geheimnissen unserer Vorfahren, gepaart mit unserem unerschütterlichen Wissen um alles, was wir brauchen. Schön ist ein Wurzelwerk, das seine Zwecke erfüllt: das uns versorgt mit Lebensnotwendigem, das uns hält, wenn wir groß werden und schwer. Unsere Erdglieder müssen stark sein, sie müssen lang werden und in jeder Biegung, in jedem Winkel so ausgerichtet sein, dass sie unseren Stand sichern, wenn der nächste Sturm kommt.

Ich bin schon lange hier. Mein Stamm wies in frühen Tagen die schlanke und biegsame Form der Jugend auf. Ihr nanntet auch das schön. Es war der Anfang. Jetzt bin ich breit, ihr braucht vier oder fünf Menschen mit ausbreiteten Armen, um mich zu umfassen. Meine Rinde ist rauh und hart. Sie ist an Stellen moosbewachsen. Wind und Wetter haben ihre Spuren hinterlassen, ebenso wie Schnäbel, Krallen, Zähne anderer Waldbewohner. Meine Rinde hat sich unzählige Male über Wunden geschlossen. Verdickungen sind entstanden, Verfärbungen, Verwachsungen. Ist das schön? Es ist sinnvoll, es dient meinem Leben, da stimme ich zu.

Schön – dieses Wort benutzt ihr so häufig. Ist der Pilz, der wie die Stufen einer Treppe an mir emporwächst, schön? Sind es die starken Äste, die ich so weit ausbreite, wie es der Platz um mich herum zulässt? Meine Äste sind meine Träger, sie bieten Platz für Zweige, für Blätter und Blüten. Das ist mein großer, mein mächtiger Antrieb: ich schaffe Raum für mich.

Ich bin schon lange hier. Das Raunen in meiner Krone nennt ihr geheimnisvoll, ihr erkennt darin eine Sprache der Ruhe. Ihr sehnt euch nach unserer Ruhe. Für uns ist das Rauschen kein Ausdruck der Ruhe. Wir wissen nur von der Notwendigkeit, aufmerksam zu sein und zu leben. Wenn der Wind kommt, dann heißt das, unsere Pollen werden davongetragen. Das ist gut. Unsere Blätter bewegen sich im Wind, und wenn sie sich stark bewegen, dann wissen wir, jetzt fliegt unser Samen davon und sucht sich einen Platz, an dem er wachsen kann. Darauf warten wir lange, und wenn es soweit ist, dann hat sich eine Bestimmung erfüllt.

Mein Leben ist lang, und das heißt, dass ich aufgepasst habe. Ich richte meinen Wuchs nach dem Wind und der Sonne. Ich beobachte meine Artgenossen und entscheide immer wieder neu, wieviel Nähe ich zulassen soll. Die Tiere und Pflanzen, die in und auf mir, um mich herum und mit mir leben, sind Konkurrenten, die ich mit meinen Waffen bis auf das Bitterste bekämpfe. Manche dürfen bleiben, weil sie mein Leben bereichern. Dann sprecht ihr mit wissender Stimme von Symbiose. Ich habe dafür keinen Namen. Es geschieht einfach, und ich unternehme nichts, um es zu verhindern. Ich spende euch Schatten, darüber freut ihr euch, wenn es heiß ist und trocken. Darin ähneln wir uns: Ihr bezieht alles auf euch selbst, ihr wertet auf, was euren Bedürfnissen dient. Mich stört ihr nicht, wenn ihr euch zu meinen Füßen niederlasst und eure geblendeten Augen schließt. Ich brauche euch aber auch nicht. Auch ich nehme gern an, was mir von Nutzen ist. Vielleicht hat einer von euch mich gepflanzt, wer weiß?

Ist es das, was ihr bei mir sucht? Auf merkwürdige Weise sind wir verbunden. Wenn ihr um mich herum spielt, dann bemerke ich euch kaum. Ich warte vielleicht darauf, dass endlich Regen fällt, damit meine Wurzeln mir neue Nährstoffe zuleiten können. Wenn ihr kommt und die Luft mit euren Ängsten, eurem Ärger oder eurer Liebe erfüllt, so berührt mich das nicht. Mein Sehnen und Horchen richtet sich auf den Wind, der meinen Samen davonträgt.

Und doch ist da etwas. Ihr sucht, und ich bin einfach nur da. Tröstet euch das? Schon lange bin ich da. Und wenn ich aufmerksam bin, dann werde ich noch eine ganze Weile hier stehen. Ihr nennt das ehrfurchtgebietend. Ich vergebe keine Namen, ich denke nicht so wie ihr. Aber ich war schon hier, als eure Eltern klein waren und versucht haben, an mir empor zu klettern. Ich werde wohl auch noch hier sein, wenn eure Kinder kommen und hinter mich schlüpfen auf der Suche nach einem Versteck.

Vielleicht ist es das?

Corporate Story für CE Mediation Coaching Training, verfasst von Angela Esgen
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Corporate Story: ‘Passieren lassen’ oder ‘Was ist Serendipität?’ Eine Annäherung.

P O L L E N F L U G

Ein Hauch in der Luft. Nachspüren, die Stärke zu erfassen suchen. Was wird bewegt? Ein leichtes Knistern, ein zarter Druck, der sich von außen nach innen fortsetzt. Zu wenig nachdrücklich, flüchtig.
Es ist bald Zeit. Das Ziehen hat bereits begonnen. Es wird immer stärker, von Dunkelheit zu Helligkeit. Die Kraft durchziehen. Die Adern füllen. Von unten nach oben. Die Kraft liegt tief im Boden, sie steigt auf, drängt hervor. Aufnehmen, dem Druck nachgeben. Voll werden und spüren, wie es quillt und treibt.
Der leichte Schlag, die huschenden Krallen. Hinauf und hinab. Hier liegen die Adern gut. Ein Schlag, zwei, drei, vier. Stille. Fünf, sechs. Stille. Sieben, acht. Im Kreis. Neun, zehn. Freigabe, Tropfen dringen hinaus. Ein Schnabel füllt sich.
Ein weiterer Hauch, ganz weit oben. Das könnte es sein. Der Schläger mag schlagen, die Kraft mag steigen. Der Hauch, der ist es, auf ihn kommt es an, der sollte stark werden, hindurchfahren und mitnehmen, was bereit ist.

„Du, was ist das denn für einer?“
„Hörst du das Klopfen? Das muss ein Specht sein.“
„Ja, aber was ist das denn für einer?“
„Welchen meinst du denn?“

Es fällt fein und kühl von oben herab. Das ist die Zeit. Alles wandert von innen nach außen. Was macht der Hauch? Er verging wohl mit dem leichten Fallen von oben. Leichte Stiche huschen rundum. Sie wollen nicht an die Kraft. Sie bewegen sich schnell, bis an die äußersten Spitzen. Das ganz feine Streichen ist kaum zu spüren. Hinauf und hinab.

„Der da! Wie heißt der?“
„Ich weiß nicht.“
„Guck mal, wie schnell das Eichhörnchen da rauf klettert!“

Es wird kommen. Der Hauch wird erstarken. Das leichte Fallen, das schwirrende Benetzen, wird bald wieder aufhören. Dann fliegen sie davon – sie sind bereit. Das ist es, darum geht es. Jetzt ist die Zeit.
Stehen, laufen, steigen. Krallen spüren. Kraft ziehen. Alles geschieht zugleich. Ganz leicht beginnt es wieder, der Druck aus der Luft ist überall. Er wächst. Ganz oben ist er zu spüren. Biegen, winden, ausweichen, nachgeben. Die Stärke des Hauchs kosten. Es ist die Zeit. Es beginnt: sie fliegen davon.

„Komm, wir gehen zurück. Du bist zu nass.“
„Guck mal, da ist Staub, überall um mich herum! Was ist das?“
„Das ist doch kein Staub. Das sind Pollen.“

Die Kraft ziehen. Den Starkhauch fühlen. Ganz oben beginnt eine leise Wärme. Das ist die Zeit!

„Und was ist das für einer?“
„Ach, keine Ahnung. Ziemlich groß, vielleicht eine Pappel oder so.“
Alles geschieht zugleich. Sie fliegen. Darauf kommt es an.

Corporate Story für CE Mediation Coaching Training, verfasst von Angela Esgen

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